KI-Reifegrad im Personalwesen

Der Einsatz generativer künstlicher Intelligenz (KI) ist in den Personalbereichen deutscher Unternehmen noch wenig ausgereift. Zudem ist KI kaum strategisch verankert. Welche drei Handlungsfelder HR jetzt angehen muss. 

Die Arbeitswelt erfährt aktuell eine tiefgehende technologische Transformation durch generative KI, einer neuen Generation künstlicher Intelligenz. Das Potenzial generativer KI für Unternehmen ist groß, ist die Technologie doch für fast jeden zugänglich und hat das Potenzial, Prozesse und Tätigkeiten zu automatisieren. Gleiches gilt für die Personalfunktion. Generative KI kann zum Beispiel – zielgerichtetes Prompten vorausgesetzt – Stellenausschreibungen, Stellenprofile, Bewerbungen und viele weitere typische Vorgänge in und um HR optimieren. 

Der Einsatz generativer KI in der Personalfunktion ist jedoch auch mit Herausforderungen im Umgang mit Datenschutz und -sicherheit sowie der Befähigung der Mitarbeitenden verbunden. Kienbaum und der Bundesverband der Personalmanager*innen haben deshalb in einer Kooperationsstudie den aktuellen KI-Reifegrad sowie die Auswirkungen generativer KI in der Personalfunktion untersucht. 

Studie offenbart geringen ­KI-Reifegrad in HR

Im Rahmen der Kooperationsstudie wurden mehr als 190 Fach- und Führungskräfte aus HR und IT zum aktuellen KI-Reifegrad ihres Unternehmens sowie ihrer Personalfunktion befragt. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Der KI-Reifegrad ist noch gering. Denn 83 Prozent der Teilnehmenden sehen ihre Personalfunktion in frühen Reifegradstufen wie der des Beginners oder der des Entdeckers. Das heißt vier von fünf Personalfunktionen haben bisher entweder gar keine generative KI im Einsatz oder experimentieren mit ersten Anwendungen in ausgewählten Bereichen. Nur elf Prozent attestieren sich einen fortgeschritteneren Reifegrad wie den des Architekten, welcher beschreibt, dass erste Projekte mit generativer KI erfolgreich implementiert worden sind. Ferner offenbart die Befragung, dass 46 Prozent der Teilnehmenden angeben, generative KI nicht in ihrer Personalstrategie zu berücksichtigen. Folglich ist der bisherige Einsatz generativer KI meist auf punktuelle Use Cases und das Experimentieren mit der neuen Technologie beschränkt. 

Primäre Anwendungsgebiete sind bisher scheinbar die "Urfunktionen" von HR, das Recruiting und die Administration. Beispielsweise geben 41 Prozent der Teilnehmenden an, bereits KI-gestützte Stellenbeschreibungen und -ausschreibungen zu nutzen. Bei der Kandidatensuche gibt sogar mehr als jedes fünfte Unternehmen an (22 Prozent), bereits generative KI einzusetzen. Die größten Herausforderungen in der erfolgreichen Implementierung generativer KI sehen die Teilnehmenden insbesondere in rechtlichen Anforderungen sowie dem Kompetenzaufbau. Dabei zeichnet sich ein Dilemma ab: Wie reguliert man etwas, dass man noch nicht gänzlich oder bislang nur oberflächlich versteht? Und das sich außerdem permanent und rasant weiterentwickelt?

Generative KI: Drei zentrale Handlungsfelder für HR

Nicht verwunderlich ist deshalb, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden (55 Prozent) aufgrund unklarer Vorgaben und Datenschutzfragen keine spezifischen KI-Richtlinien implementiert haben. Insgesamt haben bislang nur vier Prozent verbindliche Vorgaben darüber, wie generative KI eingesetzt werden kann, verabschiedet. Im Hinblick auf den Kompetenzaufbau sehen 39 Prozent erheblichen Schulungsbedarf und zeigen so ein ausgeprägtes Upskilling-Bedürfnis. In der Folge überrascht es nicht, dass sich mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) unzureichend auf die anstehenden Veränderungen durch KI vorbereitet sehen. 

Aus den Studienergebnissen leiten wir drei zentrale Handlungsfelder für eine erfolgreiche KI-Transformation der Personalfunktion ab:

  1. Kompetenzanalyse und -aufbau: Wie kann die Personalfunktion die notwendigen KI-Kompetenzen für sich und das Unternehmen aufbauen und sicherstellen?
  2. Aktive KI-Transformation: Wie kann die Personalfunktion KI-Technologien in ihre Personalstrategie und ihr Operating Model integrieren und so ihren Reifegrad erhöhen?
  3. HR als Change Agent und Transformationsgestalter: Wie kann die Personalfunktion als Change Agent die Transformation im Gesamtunternehmen gestalten?

Kompetenzanalyse und Kompetenzaufbau zu KI

HR muss die notwendigen Kompetenzen im Umgang mit generativer KI aufbauen. Das bedeutet, Mitarbeitende benötigen ein Grundverständnis für KI und insbesondere generativer KI zu ihren Funktionen, Anwendungsfeldern und Grenzen. So trivial wie diese Handlungsempfehlung klingt, so schwer ist sie in der Praxis für die Personalmanagerinnen und -manager umzusetzen. Denn einerseits stellt sich die Frage, wie viel Wissen und Kompetenzen welche Rollen und Funktionen benötigen und andererseits, wie schnell sich dieses Wissen ob der Entwicklungsgeschwindigkeit der KI-Technologien amortisiert. Um die Kompetenzentwicklung sicherzustellen, sind deshalb folgende Punkte erfolgskritisch. Erstens sollte eine umfassende Kompetenzanalyse (zum Beispiel mit Instrumenten wie einem AI Readiness Check) durchgeführt werden, um konkrete Entwicklungsbedarfe zu identifizieren. Darauf basierend können dann spezifische Schulungs- und Entwicklungsangebote (zum Beispiel zum Thema Prompt Engineering, Data Science oder Cyber Security) angeboten werden. Des Weiteren können strategische Partnerschaften mit KI-Experten wie Universitäten und Labs forciert werden. Diese ermöglichen beispielsweise die gemeinsame Verprobung potenzieller Use Cases. Schließlich sollte HR jedoch gezielt KI-nahe und datenaffine Profile attrahieren. Denn das Mindset und die Skills innerhalb der HR-Funktion müssen zukünftig auf Daten und Technologie ausgerichtet sein. HR muss anfangen, in Daten und Technologien zu denken.

Aktive KI-Transformation

Neben dem Kompetenzaufbau sollte HR außerdem die Umsetzung generativer KI aktiver angehen und so eine tiefgehende technologische Transformation initiieren. Der erste Schritt ist dabei klar, die Verankerung generativer KI-Anwendungen in der Personalstrategie. Der Schwerpunkt der Personalstrategie sollte dabei weniger auf isolierten People- und Funktionalstrategien liegen, sondern diese um eine HR-Digitalstrategie ergänzen (). Die HR-Digitalstrategie umfasst dabei ein digitales Operating Model, digitale Produkte und Services, HR-IT und HR-Analytics. 

Die Personalstrategie verlangt außerdem eine klare Vision, welche KI-Anwendungen sie in welchem HR-Bereich bis wann umsetzt. Dabei geht es nicht darum, sofort ganzheitlich alle Prozesse und Bereiche mit KI zu ersetzen oder zu erweitern, sondern vielmehr um eine objektive Bewertung, in welchen Prozessen und Bereichen KI einen Mehrwert liefern kann und mit welchen Aufwänden die Realisierung dieser Potenziale verbunden ist. Dazu gehören erste Pilot- und Leuchtturmprojekte, die das Lernen und die Akzeptanz innerhalb der Teams fördern. 

Technologie macht die Arbeit menschlicher. Das gilt auch für die Personalfunktion. Zwar gibt es viele Tätigkeiten, die Gefahr laufen, durch KI zumindest teilweise oder sogar vollständig automatisiert zu werden, dennoch ergibt sich auch ein großes Potenzial. Wenn Routine-Tätigkeiten fortwährend durch Technologien abgelöst werden können, werden Menschen zunehmend wertschöpfendere Tätigkeiten verrichten. Unsere Studie zeigt, dass das insbesondere für die Rolle des HR Business Partners gilt (). Eine umfassende KI-Transformation bietet zusätzliches Potenzial, das die Arbeit, die Personalmanagerinnen und -manager noch selbst verrichten, zunehmend inhaltlicher und strategischer Natur sein wird. In der Folge können die Qualität und der Beitrag der HR-Arbeit deutlich steigen.

HR als Change Agent und Transformationsgestalter

Die KI-bedingte Transformation im Unternehmen bietet der Personalfunktion die Chance, sich als Change Agent und Transformationsgestalter zu positionieren. Die Transformation der Personalfunktion folgt meist auf die KI-Transformation des Gesamtunternehmens. Dabei kann die Personalfunktion zwei wichtige Rollen einnehmen, um die Transformation als Change Agent zu begleiten und teilweise auch aktiv zu gestalten. 

Die erste wichtige Rolle, die HR ausfüllen kann, ist fokussiert auf Talent Acquisition und Professional Development. Eine umfassende KI-Transformation verlangt nach entsprechenden Kompetenzen, die entweder am Markt eingekauft oder intern entwickelt werden müssen. Die Personalfunktion zeichnet dabei verantwortlich, die begehrten Talente aus IT und Data Science zu attrahieren, zu rekrutieren und zu entwickeln, um so das Unternehmen mit dem notwendigen Talent auszustatten, um die Transformation erfolgreich zu meistern. KI bietet hier sogar die Chance, die Employee und Candidate Experience durch schlanke digitale Prozesse zu verbessern und so die Attraktion und Retention von Top-Talenten zu erhöhen.

Die zweite Rolle der Personalfunktion ist die eines Advokaten. Denn der Einsatz von KI und ihren Anwendungen in den verschiedenen Geschäftsbereichen, Abteilungen und Teams bedeutet meist, dass personenbezogene Daten verarbeitet werden, was in der Konsequenz bedeutet, dass diese Technologien mitbestimmungspflichtig sind. In dieser Rolle sehen wir HR klar als Vermittler zwischen den Interessen der Mitbestimmung und der des Unternehmens. Der Einsatz von Daten sorgt so dafür, dass die Personalfunktion bei allen wichtigen technologischen Entscheidungen in Verbindung mit generativer KI involviert ist und damit auch aktiven Einfluss auf die Transformation und die Entwicklung des Gesamtunternehmens ausüben kann. 

Schließlich sehen wir HR in beiden Rollen als wichtigen Change Agent, der die notwendige Kommunikation und das Change Management in der Transformation moderiert und begleitet und dazu beiträgt, eine neue daten- und technologieorientierte Kultur im Unternehmen zu etablieren. Dabei spielt insbesondere die Begleitung von Tool-Einführungen und Use Cases sowie das Upskilling und die Begleitung der Führungskräfte eine entscheidende Rolle. 

HR muss jetzt ins Handeln kommen

Die Erkenntnisse der Kooperationsstudie decken sich mit unseren Erfahrungen aus der Beratungspraxis. Viele Unternehmen und insbesondere ihre HR-Abteilungen befinden sich noch am Anfang einer vollumfänglichen technologischen und KI-orientierten Transformation. Einige Unternehmen befinden sich sogar noch in ihrer digitalen Transformation und denken bisher nur bedingt über die neuen Anforderungen durch generative KI nach. Die größten Herausforderungen sehen Unternehmen und HR-Funktionen insbesondere in Regulierung, Datenschutz und Kompetenzaufbau. Denn vor allem die Daten, mit denen innerhalb HR gearbeitet wird, sind sensible Daten von Menschen, bei denen eine besondere Vorsicht geboten ist. 

Wir sind dennoch überzeugt, dass generative KI enorme Vorteile und Potenziale für HR bietet, da die Nutzung von Daten und die damit verbundenen wertschöpfenderen Tätigkeiten die Personalfunktion näher an das Business rückt und somit noch weniger auf ihre originäre administrative Funktion reduziert. KI und Technologie wird zukünftig integraler Bestandteil moderner Personalfunktionen und wird Strategie, Operating Model und Rollenstrukturen fundamental verändern. Wichtig ist dabei ein aktiver und strategischer Angang an Technologie und Daten, ein Auseinandersetzen mit den Herausforderungen und das Wichtigste: ins Handeln zu kommen und einfache Anwendungen und Use Cases zu verproben.

Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 4/2025. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem oder in der


Zu den Autoren:

Prof. Dr. Walter Jochmann ist Managing Director & Partner bei Kienbaum Consultants International.

Dr. Bernd Blessin ist Bereichsleiter Personal, Organisation & Transformation bei der L-Bank und Präsidiumsmitglied des BPM.

Lukas M. Fastenroth ist Manager & Academic Director bei Kienbaum Consultants International.


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