Mieterstrom: Neue Herausforderungen für Verwalter

Der Begriff Mieterstrom ist nach wie vor in aller Munde. Die Meinungen darüber gehen jedoch weit auseinander. Während manche Kritiker ihn als ideologisch motiviertes Experiment ohne echten Nutzen betrachten, sehen andere in Mieterstrom ein zukunftsweisendes Modell, das einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz leisten, die dezentrale Energieversorgung fördern und sowohl Vermietern als auch Mietern wirtschaftliche Vorteile bringen kann.
Doch der Begriff "Mieterstrom" ist eigentlich zu eng gefasst. Es geht nicht nur um Strom für Mieter, sondern um elektrische Energie für alle Nutzerinnen und Nutzer einer Immobilie – also auch für Eigentümer, die ihre Wohnungen selbst bewohnen, oder für gewerbliche Mieter.
Mieterstrom: Mehr als nur Strom für Mieter
Im Zentrum des Mieterstromkonzepts steht der Wunsch, den Ausstoß von CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Vorhabens ist der Ausbau der Photovoltaik (PV). Zwar tragen große Freiflächenanlagen, wie man sie entlang von Autobahnen oder auf landwirtschaftlich weniger genutzten Flächen sieht, erheblich zur Stromproduktion bei. Doch dieser Strom muss über weite Strecken durch das öffentliche Netz transportiert werden, was Leitungen belastet, Verluste mit sich bringt und die Netzstabilität herausfordert.
Deutlich effizienter wäre es, Strom dort zu produzieren, wo er auch verbraucht wird – direkt vor Ort. Ein immer größerer Anteil unseres täglichen Lebens basiert auf elektrischer Energie. Strom ist essenziell, doch die vorhandenen Stromleitungen – besonders in älteren Stadtteilen oder ländlichen Regionen – wurden oft vor Jahrzehnten installiert. Damals konnte niemand den heutigen Energiebedarf oder gar die dezentrale Stromproduktion vorausahnen. Die Leitungsquerschnitte sind vielerorts nicht auf den heutigen Bedarf ausgelegt. Ein Ausbau ist technisch möglich, aber kostenintensiv, langwierig und planerisch herausfordernd. Vor diesem Hintergrund wird die lokale Stromproduktion durch Solaranlagen auf Dächern von Wohnhäusern immer attraktiver.
Solaranlagen als gesetzliche Pflicht
In mehreren Bundesländern wurde inzwischen eine so genannte Solarpflicht eingeführt. Sie verpflichtet Eigentümer von Immobilien – insbesondere bei Neubauten oder Dachsanierungen – zur Installation von Photovoltaikanlagen. Ziel ist es, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen auf breiter Fläche voranzutreiben und die Energiewende auf lokaler Ebene zu unterstützen.
Ist eine PV-Anlage einmal installiert, stehen dem Betreiber grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen: Er kann den erzeugten Strom vollständig ins öffentliche Netz einspeisen und dafür eine Einspeisevergütung erhalten. Diese ist jedoch in vielen Fällen nicht besonders attraktiv und wirtschaftlich nur bedingt lukrativ. Die meist lukrativere Möglichkeit besteht darin, den Strom direkt an die Nutzer im Gebäude – also Mieter oder Eigentümer – zu verkaufen. Da hier das öffentliche Stromnetz nicht beansprucht wird, entfallen die so genannten Netzentgelte. Das bedeutet: Der Anlagenbetreiber kann günstigeren Strom anbieten, und die Verbraucher profitieren von niedrigeren Kosten.
Allerdings bringt diese Direktversorgung auch Verpflichtungen mit sich. Wer Mieterstrom anbietet, wird zum Energieversorger und muss garantieren, dass jederzeit Strom geliefert wird – auch dann, wenn die Sonne nicht scheint oder die Anlage gewartet wird. Batteriespeicher können helfen, kurzfristige Engpässe zu überbrücken. Sie sind jedoch keine Dauerlösung. In Zeiten geringer oder fehlender Eigenproduktion muss der Betreiber Strom zukaufen und einspeisen – was zusätzliche organisatorische und finanzielle Aufwände mit sich bringt.
Neue gesetzliche Lösung: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
Um diese Hürden zu senken, wurde im Mai 2024 eine neue Möglichkeit geschaffen: die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Diese erlaubt es, Strom aus einer PV-Anlage im Gebäude zu nutzen, ohne dass der Betreiber dauerhaft zur Stromlieferung verpflichtet ist. Verbraucher schließen in diesem Modell zwei Verträge ab – einen mit dem PV-Anlagenbetreiber für den vor Ort produzierten Strom und einen mit einem herkömmlichen Anbieter zur Deckung des Restbedarfs. Für Verbraucher mag das zunächst komplex erscheinen, eröffnet aber neue Spielräume für Betreiber und Nutzer gleichermaßen.
Eigentümer dürfen den PV-Strom für Aufzug oder Heizung nutzen. Vermieter sind zwar verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln, jedoch nicht dazu, stets den günstigsten Anbieter zu wählen. Wenn der selbst produzierte PV-Strom konkurrenzfähig ist, darf er z.B. für den Betrieb von Aufzügen, Heizungen oder Gemeinschaftseinrichtungen verwendet werden. Die anfallenden Kosten können – wie bei anderen Betriebskosten – auf die Mieter umgelegt werden. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass der Abschluss eines Mietvertrags nicht an den Abschluss eines Stromvertrags gekoppelt werden darf. Mieterinnen und Mieter sollen frei entscheiden können, von wem sie ihren Strom beziehen möchten.
Dennoch kann ein attraktiver Strompreis ein starkes Argument für den Abschluss eines freiwilligen Stromliefervertrags mit dem Vermieter sein. Kommt ein Stromvertrag zwischen Vermieter und Mieter zustande, müssen bestimmte gesetzliche Vorgaben erfüllt werden. Die Vertragsgestaltung ist rechtlich klar geregelt und grundsätzlich gut umsetzbar – vorausgesetzt, beide Parteien sind informiert und die Abrechnung erfolgt korrekt.
Keine Abrechnung über Betriebskosten
Ein besonders wichtiger Punkt: Strom, der im Rahmen eines gesonderten Liefervertrags bereitgestellt wird, darf nicht über die Betriebskosten abgerechnet werden. Miet- und Stromvertrag sind rechtlich strikt voneinander zu trennen, was sich auch in der Abrechnung widerspiegeln muss. Grundsätzlich kann jeder Betreiber einer PV-Anlage sein: der Eigentümer eines Hauses, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, eine Eigentümergruppe oder sogar ein externer Dienstleister, sofern die Zustimmung der Gemeinschaft vorliegt.
Es gibt kein "Richtig" oder "Falsch" – die Lösung muss zur Immobilie, zu den Eigentümern und zur individuellen Situation passen. Betreiber von PV-Anlagen sind verpflichtet, ihre Anlage im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur zu registrieren. Dies dient der Übersicht über die Erzeugungs- und Speicherinfrastruktur in Deutschland und hilft die Stromnetze besser zu planen und zu sichern.
Mieterstrom: Die Rolle der Verwalter
Verwalterinnen und Verwalter stehen vor neuen Herausforderungen. Neben rechtlichen und technischen Kenntnissen müssen sie auch energetische Aspekte im Blick haben. Dabei sind sie keine Alleskönner – sie sollen und dürfen sich auf Fachleute wie Energieberater, Architekten oder Juristen stützen. Ihr Auftrag ist es, Eigentümer über Möglichkeiten und Pflichten zu informieren und geeignete Partner ins Boot zu holen. Hat ein Verwalter sich entsprechendes Wissen angeeignet, kann er zusätzliche Dienstleistungen anbieten – sollte dann aber auch für diese Expertise entsprechend vergütet werden und sich über Haftungsfragen im Klaren sein.
Für Eigentümer, denen der Aufwand zu groß ist, bieten spezialisierte Unternehmen umfassende Dienstleistungen rund um Planung, Betrieb und Abrechnung von Mieterstrommodellen an. Anbieter wie Pionierkraft oder Enerfin AG übernehmen Technik, Abrechnung und rechtliche Anforderungen – gegen eine Beteiligung an den Erlösen oder eine monatliche Pauschale.
Fazit: Mieterstrom als Weg in die Zukunft
Die Umsetzung eines Mieterstromprojekts ist komplex – aber machbar. Es gibt rechtliche, technische und wirtschaftliche Fragen zu klären. Doch am Ende stehen viele Vorteile: mehr Unabhängigkeit, oft geringere Stromkosten und ein direkter Beitrag zum Klimaschutz. Die Herausforderungen sind lösbar, insbesondere wenn Fachwissen und gute Partner zur Verfügung stehen.
Bauliche Maßnahmen und rechtliche Rahmenbedingungen: Die Installation einer PV-Anlage stellt eine bauliche Veränderung dar und muss in der Regel innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beschlossen werden. Aktuell zählt die PV-Anlage nicht zu den so genannten privilegierten Maßnahmen – sie kann also nicht von Einzelnen gegen den Willen der Gemeinschaft durchgesetzt werden. Eine gute Kommunikation innerhalb der Eigentümerschaft und eine gemeinsame Zielsetzung sind daher entscheidend. Die Installation einer PV-Anlage stellt eine bauliche Veränderung dar und muss in der Regel innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beschlossen werden. Aktuell zählt die PV-Anlage nicht zu den so genannten privilegierten Maßnahmen – sie kann also nicht von Einzelnen gegen den Willen der Gemeinschaft durchgesetzt werden. Eine gute Kommunikation innerhalb der Eigentümerschaft und eine gemeinsame Zielsetzung sind daher entscheidend. |
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 02/25 der "Immobilienwirtschaft".
-
Balkonkraftwerke: Das gilt für WEG & Vermieter
1.689
-
Befristeter Mietvertrag: Darauf sollten Vermieter achten
978
-
Schönheitsreparaturen: Zulässige und unzulässige Klauseln für Renovierungen im Mietvertrag
956
-
Garage richtig nutzen, sonst drohen Bußgelder
739
-
Untervermietung: Was kann der Vermieter verbieten?
697
-
Form der Betriebskostenabrechnung und Mindestangaben
696
-
Schlüssel für Schließanlage verloren: Wer muss zahlen?
584
-
Rückforderung von Betriebskostenvorauszahlungen hat Grenzen
566
-
Umsatzsteuer in der Nebenkostenabrechnung bei Gewerbemiete
541
-
Wertsicherungsklausel im Gewerbemietvertrag
539
-
Mieterstrom: Neue Herausforderungen für Verwalter
29.04.20251
-
Der Trend zum offenen IT-System
28.04.2025
-
Mit digitalen Lösungen die Mietverwaltung optimieren
28.04.2025
-
Haftung für Energielieferung bei zimmerweiser Vermietung
28.04.2025
-
VDIV vergibt Stipendien für Fortbildung
25.04.2025
-
Digitale Strategie für Haus- und WEG-Verwalter
25.04.2025
-
Abrechnungsspitze kann auch teilweise angefochten werden
23.04.2025
-
Befristeter Mietvertrag: Darauf sollten Vermieter achten
22.04.2025
-
Wo hohe Nachzahlungen fürs Heizen erwartet werden
17.04.2025
-
Grillen im Mehrfamilienhaus: Was ist erlaubt?
14.04.2025