Lieferantenmanagement in unruhigen Zeiten

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wird wieder abgeschafft – so sieht es der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vor. Gleichzeitig plant die EU mit der CSDDD eine neue Richtlinie, deren Anforderungen teilweise entschärft werden. Professionelles Lieferkettenmanagement gewinnt dennoch weiter an Bedeutung. Wie es gelingt, zeigt dieser Gastbeitrag.

Ob es um Resilienz gegenüber Krisen, die Einhaltung regulatorischer Vorgaben oder die Erfüllung von Nachhaltigkeitsanforderungen geht – eine strukturierte Steuerung der Lieferanten sowie transparente Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind längst keine operativen Randthemen mehr, sondern zentrale Stellhebel für langfristigen Unternehmenserfolg.

Politische Debatte und Kritik

Der Beschluss der (voraussichtlich) zukünftigen Regierung, das LkSG komplett abzuschaffen, trifft einerseits auf Zustimmung. Andererseits hat sich mit dem Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zu Beginn des Jahres 2023 das Verständnis von unternehmerischer Verantwortung entlang globaler Lieferketten grundlegend gewandelt. Führende Unternehmen sehen daher die Erfüllung von Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsanforderungen als strategischen Vorteil an und plädieren für einen einheitlichen Rahmen in Bezug auf menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten.

Mercedes-Benz zum Beispiel : Vorständin Britta Seeger betont, dass das Gesetz Unternehmen bei der Einhaltung globaler Standards unterstütze.

Auch auf EU-Ebene wird aktuell nachjustiert: Mit der sogenannten Omnibus-Regelung hat die EU-Kommission eine deutlich entschärfte Version der CSDDD vorgelegt. Ziel ist es, die Anforderungen abzumildern, um eine Einigung auf EU-Ebene zu ermöglichen. Vorgesehen sind zum Beispiel:

  • anlasslose Bewertung nur für direkte Geschäftspartner
  • Prüfpflicht nur alle 5 Jahre
  • keine Pflicht zur Vertragsbeendigung bei Verfehlung
  • eigenständige zivilrechtliche Haftung wird gestrichen, es gilt der nationale Haftungsrahmen
  • abgeschwächte Stakeholder-Beteiligung
  • kein verpflichtender Klimaplan
  • Anwendung: frühestens ab Juli 2027

In der Praxis zeigt sich, dass Unternehmen große Anstrengungen unternehmen, ihre Lieferketten transparenter zu gestalten. Viele setzen verstärkt auf digitale Tools zur Lieferantenbewertung und -klassifizierung, führen Risikoanalysen durch und schulen ihre Beschaffungsteams. Gleichzeitig bleibt die Zusammenarbeit mit Lieferanten herausfordernd – insbesondere in Ländern mit schwacher Rechtsstaatlichkeit oder eingeschränkter Datenverfügbarkeit.

Konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Die zunehmende Bedeutung der Berücksichtigung von Umweltschutz und Menschenrechten zwingt Unternehmen dazu, das Lieferantenmanagement von einer operativen Einkaufsfunktion zu einer strategischen Compliance-Schnittstelle weiterzuentwickeln. Um die Anforderungen der angepassten CSDDD-Richtlinie zu erfüllen und auch für internationale Standards gut gerüstet zu sein, empfehlen sich für Unternehmen folgende konkrete Schritte.

Risikoanalyse & Lieferantenbewertung

Unternehmen sollten ein ganzheitliches Risikomanagement einführen, um Risiken in der Lieferkette zu identifizieren und zu bewerten. Hilfreich sind Risikomatrizen nach Ländern und Branche sowie branchenspezifische Plattformen wie Amfori. Ziel ist es, in einem ersten Schritt mithilfe einer Analyse der abstrakt möglichen Risiken, die Lieferanten herauszufiltern, bei denen tatsächlich Risiken vorliegen können und die im zweiten Schritt näher betrachtet werden müssen.

Wie ein Unternehmen von einer Speziallösung profitieren kann, erläutert Josef Geier, Director Corporate Sustainability & Compliance bei der Schock GmbH:

Wir setzen ein leistungsstarkes Tool zur Risikoanalyse ein, das uns dabei hilft, abstrakte Risiken deutlich effizienter zu bewerten und gleichzeitig den Arbeitsaufwand spürbar zu reduzieren.

Solche technologiegestützten Ansätze tragen dazu bei, nicht nur Zeit und Ressourcen zu sparen, sondern auch die Qualität der Bewertungen zu verbessern.

Hinweis:
Die geplante EU-Omnibus-Regelung zur CSDDD sieht weniger Prüfpflichten vor – etwa längere Zyklen und den Fokus auf direkte Geschäftspartner. Analog zum LkSG sind indirekte Lieferanten nur noch dann zu prüfen, wenn plausible Informationen über tatsächliche oder potenziell negative Auswirkungen vorliegen.

Verankerung in Unternehmensprozessen

Um den steigenden Anforderungen an unternehmerische Verantwortung gerecht zu werden, ist es entscheidend, die Themen Menschenrechte, Umweltschutz und Nachhaltigkeit fest in der Unternehmensstrategie zu verankern. Dafür müssen Unternehmen zunächst eindeutige Zuständigkeiten definieren – etwa, indem sie Compliance- oder Nachhaltigkeits- sowie Menschenrechtsbeauftragte ernennen. Es ist zudem grundlegende Voraussetzung, dass das Management die Umsetzung dieser Themen voll und ganz unterstützt.

Zusätzlich sollten Unternehmen interne Richtlinien und Schulungsmaßnahmen für Einkauf, Vertrieb und das Management entwickeln. So stellen sie sicher, dass alle Mitarbeitenden über die geltenden Sorgfaltspflichten informiert sind und diese in ihrem Arbeitsalltag umsetzen.

Der aktuelle Entwurf der CSDDD verpflichtet Unternehmen dazu, einen Mechanismus zu implementieren, über den etwaige Verstöße gemeldet werden können. Die Implementierung eines solchen trägt dazu bei, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden frühzeitig zu erkennen und anzugehen, noch bevor sie sich zu rechtlichen oder reputationsschädigenden Vorfällen entwickeln. Gleichzeitig bietet er Betroffenen eine wichtige Möglichkeit, auf Missstände aufmerksam zu machen und Schutz zu erfahren. Unternehmen zeigen damit, dass sie ihrer menschenrechtlichen und ökologischen Verantwortung aktiv nachkommen – ein klares Signal an Mitarbeitende, Geschäftspartner und die Öffentlichkeit.

Die stetig wachsenden Anforderungen in Bezug auf ein nachhaltiges Wirtschaften der Unternehmen sind nur mit einem systematischen Lieferantenmanagement umzusetzen. Dies beinhaltet unter anderem die vertragliche Zusicherung von Lieferanten zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards, ein einfach zugängliches Meldesystem für Missstände, die Einführung von Verhaltenskodizes oder Codes of Conduct für Lieferanten sowie laufende Audits, Monitoring-Systeme oder Fortschrittsberichte.

Berichtspflichten & Dokumentation

Um die Einhaltung der Sorgfaltspflichten im Rahmen der CSDDD-Richtlinie nachzuweisen, gelten für Unternehmen bestimmte Dokumentations- und Berichtspflichten. Diese dienen dazu, alle ergriffenen Maßnahmen, Zertifikate und Auflagen für Lieferanten zu dokumentieren. Denn je umfassender die Dokumentation, desto effektiver sind Risiken in der Lieferkette zu erkennen und lassen sich Bemühungen zur Risikoreduzierung vom Unternehmen nachweisen.

Dabei ist zu beachten, dass die Berichtspflichten der CSDDD-Richtlinie an die Vorgaben der CSRD-Richtlinie angepasst werden. Auch wenn die aktuelle Omnibus-Richtlinie Erleichterungen vorsieht, so fallen die Berichtsinhalte deutlich umfangreicher aus als bisher vom LkSG gefordert. Entscheidend ist, dass die Berichte standardisiert und öffentlich zugänglich sind, damit Stakeholder die Informationen leicht einsehen können.

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Nutzung IT-gestützter Lösungen

Um die umfangreichen Anforderungen an Überwachung und Dokumentation im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, empfiehlt es sich für Unternehmen, auf digitale Lösungen zu setzen. Leistungsfähige Softwaresysteme ermöglichen es, die gesamte Lieferkette systematisch zu überwachen, den Datenaustausch mit Lieferpartnern zu organisieren und die eigenen Aktivitäten lückenlos zu dokumentieren.

Darüber hinaus beschleunigen und präzisieren automatisierte Risikoanalysen auf Basis von Länder- und Branchenindizes den Prozess der Risikobewertung deutlich. So können Unternehmen Gefährdungen frühzeitig erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren Lieferketten zu verhindern.

In diesem Zusammenhang berichtet Josef Geier, Director Corporate Sustainability & Compliance bei der Schock GmbH:

Mit unserer digitalen Compliance-Lösung sind wir bestens für kommende regulatorische Änderungen gerüstet und können auch auf zukünftige gesetzliche Änderungen schnell und effizient reagieren.

Dies veranschaulicht, wie IT-gestützte Systeme flexibel für Compliance-Aufgaben eingesetzt werden können.

Kooperationen & Brancheninitiativen

Um die Herausforderungen der Lieferkettensorgfalt ganzheitlich anzugehen, empfiehlt es sich für Unternehmen, Kooperationen mit Brancheninitiativen einzugehen. Durch den Austausch profitieren sie von den Erfahrungen und Lösungsansätzen anderer. Beispielsweise bieten der UN Global Compact, die Responsible Business Alliance oder die Fair Wear Foundation wichtige Orientierung und Unterstützung bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten.

Darüber hinaus sollten Unternehmen den Dialog mit relevanten Stakeholdern wie NGOs oder Zertifizierungsstellen suchen. Durch den Austausch von Expertise und Best Practices lassen sich Risiken in der Lieferkette präziser identifizieren und effektiver adressieren. Insgesamt tragen Kooperationen und Brancheninitiativen entscheidend dazu bei, die komplexen Herausforderungen rund um die CSDDD- und CSRD-Richtlinie zu meistern.

Fazit: Lieferantenmanagement ist ein strategischer Vorteil

Die gesetzlichen Vorschriften zur Lieferantensorgfalt markieren einen Paradigmenwechsel im Lieferantenmanagement. Unternehmen sind gefordert, ihre Lieferkette nicht nur wirtschaftlich, sondern auch menschenrechtlich und ökologisch verantwortungsvoll zu gestalten. Wer frühzeitig in Transparenz, partnerschaftliche Lieferantenbeziehungen und digitale Lösungen investiert, verschafft sich nicht nur regulatorische Sicherheit, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil im Zeitalter nachhaltiger Wertschöpfung.

Auch wenn die aktuellen Anpassungen der CSDDD auf EU-Ebene eine Entschärfung der Anforderungen erkennen lassen, bleibt die praktische Umsetzung von Sorgfaltspflichten für viele Unternehmen eine komplexe Herausforderung. Die Vielzahl an gesetzlichen Vorgaben, teils unklaren Definitionen und sich verändernden politischen Rahmenbedingungen erschwert eine einheitliche und verlässliche Implementierung. Besonders kleine und mittlere Unternehmen, die indirekt betroffen sind, stehen vor organisatorischen und ressourcenseitigen Hürden.

Erfolgreiches Lieferantenmanagement erfordert deshalb nicht nur rechtliches Know-how, sondern auch klare Verantwortlichkeiten, geeignete digitale Tools, einen offenen Stakeholder-Dialog und häufig eine grundlegende Veränderung bestehender Einkaufs- und Risikomanagementprozesse. Wer frühzeitig investiert und sich strategisch vorbereitet, kann sich jedoch langfristig Wettbewerbsvorteile sichern – nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern auch im Hinblick auf Reputation und Nachhaltigkeit.


Schlagworte zum Thema:  Lieferkette, Due Diligence, CSDDD