Keine Reparaturrechnung bei fiktiver Schadensabrechnung

Eine Versicherung kann bei fiktiver Schadensabrechnung auf Sachverständigenbasis durch den Unfallgeschädigten nach Durchführung einer mutmaßlich kostengünstigen Reparatur nicht die Vorlage der Reparaturrechnung verlangen.

Nach einem Urteil des BGH ist die fiktive Schadensabrechnung eines Unfallgeschädigten auf der Grundlage eines fachlich beanstandungsfreien Sachverständigengutachtens für die Versicherung verbindlich. Auch nach Durchführung einer mutmaßlich zu einem geringeren Preis durchgeführten Reparatur, kann die Versicherung nicht die Vorlage der Reparaturrechnung verlangen.

Unfallfahrzeug in der Türkei - mutmaßlich kostengünstig - repariert

Im konkreten Fall hatte der Unfallgeschädigte sein Fahrzeug während eines Urlaubs in der Türkei reparieren lassen. Nach seiner Rückkehr rechnete er gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens ab. Der Versicherer mutmaßte, dass die Reparatur zu einem deutlich günstigeren Preis als vom Sachverständigen geschätzt durchgeführt worden sei und forderte die Vorlage der Reparaturrechnung.

Geschädigter darf Vorlage der Reparaturrechnung verweigern

Der Geschädigte verweigerte die Vorlage und verklagte die Versicherung auf Basis des Sachverständigengutachtens auf Schadenersatz. Nach unterschiedlichen Instanzentscheidungen urteilte der BGH, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten offen zu legen. Der BGH verwies auf die Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Hiernach kann der Geschädigte statt der Herstellung des ursprünglichen Zustandes den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Maßstab seien die Maßnahmen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten für erforderlich halten darf.

Wirtschaftlichkeitsgebot im Schadenersatzrecht

Nach dem in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot müsse der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren einen wirtschaftlich vertretbaren Weg der Schadensbehebung wählen. Dies gilt laut BGH sowohl für die konkrete als auch für die fiktive Schadensabrechnung (BGH, Urteil v. 26.5.2023, VIZR 274/22).

Entscheidend ist der zur Herstellung erforderliche Betrag

Der gemäß § 249 BGB für die Herstellung eines schadenfreien Zustandes des Fahrzeuges erforderliche Geldbetrag sei bei fiktiver Schadensabrechnung ausschließlich auf der Basis eines fachlich korrekten Sachverständigengutachtens zu bestimmen. Dieses weise den objektiv zur Herstellung eines unbeschädigten Zustandes erforderlichen Geldbetrag aus. Rechne der Geschädigte auf dieser Grundlage seinen Schaden fiktiv ab, sei er darüber hinaus nicht verpflichtet, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen.

Anders bei freiwilliger Vorlage der Reparaturrechnung

Ein von der beklagten Versicherung in Bezug genommenes Urteil des BGH aus dem Jahr 2013 passt nach Auffassung des Senats nicht auf den anhängigen Rechtsstreit. In dem damaligen Fall hatte der Geschädigte selbst vorgetragen, er habe sein Fahrzeug in einer günstigen Werkstatt fach- und sachgerecht reparieren lassen und dabei einen von ihm selbst offen gelegten, geringeren als den vom Sachverständigen geschätzten Preis gezahlt. Auf der Grundlage des eigenen Sachvortrags des Geschädigten habe der BGH diesem lediglich Ersatz der Kosten zugesprochen, die für die tatsächlich durchgeführte Reparatur angefallen waren (BGH, Urteil v. 3.12.2013, VI ZR 24/13).

Grundsatz der Schadensminderungspflicht

In einem weiteren Urteil hatte der 6. Senat entschieden, dass der Geschädigte sich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB vom Schädiger auf eine günstige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zu erreichenden freien Fachwerkstatt verweisen lassen muss. Voraussetzung sei, dass der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer Markenwerkstatt entspricht und dem Geschädigten eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt nicht aus anderen Gründen unzumutbar ist (BGH, Urteil v. 18.2.2020, VI ZR 115/19).

Gesetz räumt dem Geschädigten Dispositionsfreiheit ein

Die den zitierten Urteilen zu Grunde liegenden Fallkonstellationen sind nach Auffassung des BGH mit dem aktuellen Fall nicht zu vergleichen. Hier habe der Kläger von seiner Ersetzungsbefugnis und Dispositionsfreiheit gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch gemacht und auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktiv abgerechnet. Die beklagte Versicherung habe ihrerseits keine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen Werkstatt nachgewiesen oder auch nur vorgeschlagen. Diese Fallkonstellation unterscheide sich deshalb wesentlich von den Sachverhalten in den zitierten Entscheidungen.

Etwaige Vorteile aus kostengünstiger Reparatur sind irrelevant

Eine Verpflichtung des Geschädigten zur Vorlage der Reparaturrechnung einer von ihm selbst ausgewählten Werkstatt besteht nach der Entscheidung des BGH nicht. Richtschnur für den vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu leistenden Ersatz seien nicht die vom Geschädigten tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten, sondern entsprechend dem Gesetzeswortlaut der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag (BGH, Urteil v. 12.10.2021, VI ZR 513/19). Für die Ermittlung dieses Betrages seien die Kosten einer tatsächlich durchgeführten Reparatur grundsätzlich irrelevant. Irrelevant seien deshalb auch etwaige finanzielle Vorteile, die der in Deutschland wohnende Kläger durch die Reparatur seines Fahrzeugs in der Türkei erzielt hat.

Revision der Versicherung erfolglos

Im Ergebnis blieb die Revision der Versicherung gegen die Entscheidung der Vorinstanz erfolglos. Diese hatte dem Kläger aufgrund einer 60-prozentigen Verschuldungsquote 40 % des vom Sachverständigen geschätzten Herstellungsbetrages zugesprochen.


(BGH, Urteil v. 28.1.2025, VI ZR 300/24)


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