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Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorl盲ufige Steuerfestsetzung wegen ungewisser Gewinnerzielungsabsicht
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Leitsatz (NV)
Unsicherheiten in der Beurteilung der Gewinn-/脺berschu脽erzielungsabsicht des Steuerschuldners sind grunds盲tzlich geeignet, den Erla脽 vorl盲ufiger Einkommensteuerbescheide zu rechtfertigen.
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Normenkette
AO 1977 搂搂听121, 165; EStG 搂 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Der (in A. wohnende) Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) erwarb mit notariellem Vertrag vom 4. August 1978 eine Eigentumswohnung in der Hotel- und Ferienanlage . . . in B. Aufgrund eines Managementvertrages wurde die Wohnung an wechselnde Ferieng盲ste vermietet.
Dem f眉r B. zust盲ndigen Beklagten und Revisionskl盲ger (Finanzamt - FA -) gegen眉ber erkl盲rte der Kl盲ger in den Streitjahren 1978 bis 1983 in seinen Feststellungserkl盲rungen gewerbliche Verluste von 2 248 DM (f眉r 1978), 7 983 DM (f眉r 1979), 10 030 DM (f眉r 1980), 9 833 DM (f眉r 1981), 9 674 DM (f眉r 1982) und 7 196 DM (f眉r 1983).
Das FA setzte die erkl盲rten Verluste antragsgem盲脽, jedoch unter dem Vorbehalt der Nachpr眉fung fest. Der Feststellungsbescheid f眉r 1983 vom 20. Februar 1985 erging au脽erdem ,,gem盲脽 搂 165 AO 1977 vorl盲ufig hinsichtlich der Streitfrage ,Liebhaberei`". Mit zusammengefa脽tem Bescheid vom 14. Dezember 1984 versah das FA auch die 眉brigen Feststellungsbescheide f眉r die Jahre 1978 bis 1982 mit einem solchen Vermerk. Zur Erl盲uterung hei脽t es:
,,Die Vorl盲ufigkeit erstreckt sich auf die Frage, ob durch die Nutzung der Eigentumswohnung gewerbliche Eink眉nfte erzielt werden oder ob mangels Gewinnerzielungsabsicht oder Gewinnverwirklichungsm枚glichkeit einkommensteuerlich nicht relevante Liebhaberei vorliegt.
Die endg眉ltige Entscheidung zu der Anerkennung der steuerlichen Verluste (Eink眉nfte oder sog. Liebhaberei) kann erst nach Abschlu脽 einer Anlaufphase des Betriebes von mehreren Jahren und nach Ermittlung der Gewinnaussichten ergehen. Die Durchf眉hrung der Ermittlungen durch eine Betriebspr眉fung bleibt vorbehalten.
Der Vorbehalt der Nachpr眉fung bleibt bestehen."
Die hiergegen eingelegten Einspr眉che wies das FA im wesentlichen mit der Begr眉ndung zur眉ck, f眉r die Beurteilung, ob Gewinnerzielungsabsicht vorliege oder ,,Liebhaberei" angenommen werden m眉sse, sei auf das Totalergebnis der betrieblichen T盲tigkeit abzustellen. Eine solche Entscheidung k枚nne erst nach mehreren Jahren getroffen werden.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Voraussetzung des 搂 165 der Abgabenordnung (AO 1977), weil im Streitfall der Vorl盲ufigkeitsvermerk allein bezweckt habe, dem FA eine abschlie脽ende rechtliche W眉rdigung zu ersparen.
Mit der Revision r眉gt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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I. Die Revision ist begr眉ndet. Das angefochtene Urteil verletzt materielles Recht und war daher aufzuheben. Die Klage war abzuweisen (搂 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil die angefochtenen Feststellungsbescheide in rechtlich zul盲ssiger Weise f眉r vorl盲ufig erkl盲rt worden sind.
骋别尘盲脽 搂 165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann eine Steuer insoweit vorl盲ufig festgesetzt werden, als ungewi脽 ist, ob die Voraussetzungen f眉r ihre Entstehung eingetreten sind. Diese Vorschrift gilt f眉r gesonderte Feststellungen (hier gem盲脽 den 搂搂 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO 1977) sinngem盲脽 (搂 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Das hei脽t, Besteuerungsgrundlagen d眉rfen insoweit vorl盲ufig festgestellt werden, als ungewi脽 ist, ob die Voraussetzungen f眉r ihre Ber眉cksichtigung im Rahmen des Feststellungsbescheids gegeben sind.
1. Beizupflichten ist dem FG darin, da脽 die urspr眉nglich allein unter dem Vorbehalt der Nachpr眉fung (搂搂 181 Abs. 1 Satz 1, 164 AO 1977) erlassenen Bescheide (f眉r 1978 bis 1982) nachtr盲glich au脽erdem mit einem Vorl盲ufigkeitsvermerk versehen werden durften. Eine solche Ma脽nahme ist in 搂 165 Abs. 3 AO 1977 ausdr眉cklich vorgesehen; da脽 sie - wie hier - auch nachtr盲glich vorgenommen werden darf, folgt aus 搂 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977: Die darin enthaltene grunds盲tzlich uneingeschr盲nkte Aufhebungs- und 脛nderungsbefugnis schlie脽t das Recht der Finanzbeh枚rden, den Nachpr眉fungsvorbehalt zu erneuern bzw. aufrechtzuerhalten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juni 1980 IV R 23/79, BFHE 130, 370, BStBl II 1980, 527; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., 搂 164 AO 1977 Tz. 8 am Ende), ebenso ein wie die Befugnis, eine bisher ohne Vorl盲ufigkeitsvermerk ergangene Regelung unter den Voraussetzungen des 搂 165 AO 1977 sp盲ter mit einer solchen Nebenbestimmung zu versehen.
2. Zu Unrecht dagegen hat das FG die rechtlichen Voraussetzungen f眉r die Anbringung des Vorl盲ufigkeitsvermerks verneint.
a) Die Vorl盲ufigkeitsvermerke sind ordnungsgem盲脽, vor allem mit hinreichender Deutlichkeit ausgesprochen und begr眉ndet worden. Die Begrenzung des Umfangs der Vorl盲ufigkeit auf die erkl盲rten Verluste aus Gewerbebetrieb war mit der Ungewi脽heit hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht hinreichend umschrieben. Damit war - jedenfalls f眉r den rechtskundig vertretenen Adressaten - auch eine ausreichende Begr眉ndung i.S. der 搂搂 165 Abs. 1 Satz 3, 121 AO 1977 gegeben (vgl. 搂 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977).
Im 眉brigen w盲re ein Begr眉ndungsmangel wegen der in der Einspruchsentscheidung gegebenen Erl盲uterungen unbeachtlich (搂 126 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977; vgl. Tipke/ Kruse, a. a. O., 搂 121 AO 1977 Tz. 13, 搂 126 Tz. 3 und 搂 165 Tz. 8 - jeweils mit weiteren Nachweisen ).
b) Die Vorl盲ufigkeitsvermerke sind berechtigt. Zutreffend hat das FG hervorgehoben, da脽 eine Steuerfestsetzung nur im Hinblick auf ungewisse Tatsachen f眉r vorl盲ufig erkl盲rt werden darf (vgl. BFH-Urteile vom 25. April 1985 IV R 64/83, BFHE 143, 500, BStBl II 1985, 648, und vom 26. Oktober 1988 I R 189/84, BFHE 155, 8, BStBl II 1989, 130).
Unter Tatsache ist hier - ebenso wie im Rahmen des 搂 173 AO 1977 - jeder Lebensvorgang zu verstehen, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestandes erf眉llt. Dabei kann es sich um einzelne Tatsachen, aber auch um eine Summe von Tatsachen handeln, die ihrerseits den Sachverhalt ausmachen, der unter das Gesetz subsumiert wird (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., 搂 173 AO 1977 Tz. 3; Woerner/Grube, a. a. O., S. 82 f.).
Die Gewinnerzielungsabsicht, derentwegen das FA im Streitfall die Verlustber眉cksichtigungen in den angefochtenen Bescheiden f眉r vorl盲ufig erkl盲rte, ist eine solche Tatsache.
Steuerrechtlich relevant sind die von der Kl盲gerin erkl盲rten und vom FA vorl盲ufig ber眉cksichtigten Verluste aus Gewerbebetrieb gem盲脽 den 搂搂 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) n. F. u. a. nur, wenn ihnen ein Streben nach Betriebsverm枚gensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns oder Total眉berschusses, d. h. eine T盲tigkeit zugrunde liegt, die, 眉ber eine gr枚脽ere Zahl von Jahren gesehen, auf die Erzielung positiver Eink眉nfte oder 脺bersch眉sse hin angelegt ist (vgl. BFH-Beschlu脽 vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766 f., und BFH-Urteil vom 24. November 1988 IV R 37/85, BFH/NV 1989, 574; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, 247 ff.; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., 1989, 搂 2 Anm. 10).
Dieses f眉r den Tatbestand der Eink眉nfteerzielung notwendige Gewinnstreben allerdings kann als ,,innere" Tatsache nur anhand 盲u脽erlicher Merkmale beurteilt werden (BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767). Wegen des hierdurch begr眉ndeten Abh盲ngigkeitsverh盲ltnisses ist Ungewi脽heit i. S. des 搂 165 AO 1977 hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht nur gegeben, wenn die f眉r sie ma脽geblichen Einzeltatsachen nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden k枚nnen. Das ist hier der Fall.
Die Entscheidung, da脽 beim Kl盲ger Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, erfordert einerseits eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung; andererseits k枚nnen die Verh盲ltnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten (BFH-Urteile vom 28. August 1987 III R 273/83, BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10, und vom 2. September 1987 I R 315/83, BFH/NV 1988, 300). Z. B. k枚nnen entscheidende Schl眉sse daraus gezogen werden, wie der Steuerpflichtige darauf reagiert, da脽 er l盲ngere Zeit hindurch Verluste erzielt hat (BFH-Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205, 207 mit weiteren Nachweisen). Zwar reichen l盲ngere Verlustperioden f眉r sich allein gesehen nicht aus, um eine Bet盲tigung als ,,Liebhaberei" anzusehen und dem Bereich der privaten Lebensf眉hrung zuzuordnen (BFH in BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10, 11). Jedoch sind Dauer und Umfang der Verlusterzielung ein wesentliches Kriterium f眉r die Gesamtbeurteilung. Sie k枚nnen vor allem zusammen mit der Reaktion des Steuerpflichtigen auf eine solche Entwicklung die Beweislage entscheidend beeinflussen (vgl. BFH-Urteile vom 14. M盲rz 1985 IV R 8/84, BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424, 426; vom 21. M盲rz 1985 IV R 25/82, BFHE 143, 361, BStBl II 1985, 399, und vom 23. Mai 1985 IV R 84/82, BFHE 144, 49, BStBl II 1985, 515, 516).
Die Frage, ob trotz andauernder Erzielung von Verlusten Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, l盲脽t sich in der Regel erst nach Ablauf eines l盲ngeren Zeitraums beantworten. H盲ufig wird sich erst dann herausstellen, auf welche 盲u脽eren Tatsachen es im Einzelfall ankommt und wie sie zu gewichten sind. Zwar ist es richtig, da脽 alle f眉r die Entstehung des Steueranspruchs i. S. des 搂 38 AO 1977 bedeutsamen Tatsachen innerhalb eines Veranlagungszeitraums (搂 25 EStG) und eines entsprechenden Feststellungszeitraums gegeben sein und daher f眉r jeden Veranlagungszeitraum (Feststellungszeitraum) gesondert gepr眉ft werden m眉ssen. Geht es aber - wie hier - bei der Gewinnerzielungsabsicht um ein Tatbestandsmerkmal, das durch Elemente der Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit gepr盲gt ist, mu脽 auch der Beurteilungszeitraum entsprechend ausgedehnt werden: Wo das Gesetz Streben nach Totalgewinn oder Total眉berschu脽 fordert, darf der Blick nicht auf einen Veranlagungszeitraum oder Feststellungszeitraum verengt werden.
Gegen die Erteilung von Vorl盲ufigkeitsvermerken in F盲llen der hier streitigen Art kann auch nicht eingewendet werden, auf diese Weise werde in Wahrheit nur die rechtliche W眉rdigung hinausgeschoben. Eine solche Erw盲gung verkennt, da脽 Ungewi脽heit im Tats盲chlichen notwendigerweise auch Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung zur Folge hat. Es ist gerade der Zweck des 搂 165 AO 1977, der Finanzbeh枚rde zu gestatten, eine endg眉ltige Entscheidung hinauszuschieben, soweit Ungewi脽heit im Tats盲chlichen besteht.
Unter diesen Umst盲nden liegt es im Rahmen des der Finanzbeh枚rde in 搂 165 AO 1977 einger盲umten Ermessensspielraums (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., 搂 165 AO 1977 Tz. 6), da脽 im Streitfall das FA die angefochtenen Feststellungsbescheide mit entsprechenden Vorl盲ufigkeitsvermerken versehen hat, um sich insoweit f眉r die endg眉ltige Gesamtbeurteilung der Gewinnerzielungsabsicht einen angemessenen Beurteilungszeitraum zu verschaffen. Auch ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn in derartigen F盲llen hinsichtlich der ungewissen Tatsachen von einer weiteren Sachaufkl盲rung vorerst ganz abgesehen wird. Das ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn die Finanzbeh枚rde - wie hier das FA hinsichtlich der Verluste - vorl盲ufig die erkl盲rte (f眉r den Steuerpflichtigen g眉nstigere) Sachverhaltsgestaltung zugrunde legt . . .
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Fundstellen
亿兆体育-Index 423000 |
BFH/NV 1990, 502 |